Wieder zur Schule! Dem Leben eine neue Richtung geben, raus aus dem Berufsalltag und zurück auf die Schulbank. Wobei, so neu ist die Richtung ja gar nicht. Immerhin bin ich vor dem Kolleg zehn Jahre zur Schule gegangen. Sogar elf, da ich die zehnte Klasse seinerzeit wiederholen musste. Dann Berufsschule, Lehrgänge, Fachausbildungen… so anders ist das Lernsystem in Deutschland nicht, als das man annehmen müsste, auf dem Kolleg erwarte einen etwas gänzlich anders als das bisher gekannte.
Und doch waren da die alten Fragen, die wohl jedem bei einem Tätigkeitsswechsel beschäftigen. Wird es mir gefallen? Werde ich mich da einleben, Freunde finden? Werde ich die an mich gestellten Aufgaben erfüllen können?
Macht es überhaupt Sinn, nach zehn Jahren Berufstätigkeit (denn auch wenn mir mein Job nicht so zusagte, dass monatliche Gehalt hatte mir schon gefallen) wieder zur Schule zu gehen? Seine Ausgaben auf das nötigste zu reduzieren, um mit dem knappen BAföG über die Runden zu kommen? Und das gleich für drei Jahre! Zählt man das geplante anknüpfende Studium und den eventuellen Master hinzu, dann sogar für mindestens acht! Und da sind noch nicht einmal die vielen Eventualitäten mit eingerechnet, wie etwa ein Schuljahr zu wiederholen oder Wartesemester.
Retrospektiv hatte ich mir letztes Jahr viele Sorgen gemacht, die dann im laufenden Schuljahr überhaupt nicht mehr auftauchen sollten. Und das liegt sicher daran, dass das Leben am Kolleg einfach Spaß macht. Sicher, ein paar Taler hier und da mehr wären schon schön. Aber die grundsätzlichen Lebenskosten sind gesichert, ich habe ein Dach überm Kopf und ernsthafte Sorge in den kommenden Tagen den Hungertod zu sterben habe ich auch nicht.
Dafür genieße ich die vielen Vorteile des Schülerdaseins. Viel frei, Ferien, Pausen, am frühen Nachmittag schon Schluss. Klar, da sind noch Hausaufgaben, aber Hand aufs Herz, Schüler übertreiben auch gerne in der dramatischen Schilderung bei diesem Punkt. Tatsächlich habe ich sogar wieder angefangen ,,Die Ärzte´´ zu hören, etwas, dass ich sicher schon seit zehn Jahren nicht mehr gemacht hatte, und selbst die alten Manga Hefte von anno dazumal habe ich vom Speicher meiner Eltern entstaubt und sie stehen nun schön aufgereiht im Regal hinter mir. Kurzum: Ich verhalte mich wieder wie mit sechzehn und das ist ein tolles Gefühl.
Auch das Einleben hat prima funktioniert, von Tag Eins an. Sonst kennt man ja häufig das ungeschriebene Gesetz, dass sich die Neuen bei den Alten erstmal bewähren müssen. Wer kennt nicht die Geschichten im ersten Ausbildungsjahr, wo man von den älteren Azubis in den Keller geschickt wird, um nach einem Gegenstand zu suchen den es gar nicht gibt. Und immer, wenn man wieder hoch kommt, sagen sie: ,,doch, doch, den gibt es. Der muss da unten irgendwo sein, geh noch mal nachschauen,´´ und dann lachen sie sich scheckig, dass man Stunden damit verbringt quasi nach Nichts zu suchen. Und wenn es ganz blöd läuft darf man sich bei seinem Ausbilder rechtfertigen wo man denn war, denn beim Suchen kann man ja schlecht gleichzeitig noch irgendetwas anderes machen. Und weil man es sich mit den anderen Azubis nicht verscherzen will, hält man schön die Klappe und erträgt die Standpauke.
Aber wie auch immer, hier ist es also anders. Gleich am Anfang laden die älteren Kollegiaten einen dazu ein bei Ihnen mitzusitzen (sofern man am Kolleg wohnt und gerade im August noch die letzten warmen Tage draußen im Hortus* genießen möchte), die Lehrer grüßen fröhlich und überhaupt hatte ich immer das Gefühl, dass ich zu jedem jederzeit gehen konnte und keine Gräben zwischen irgendwelchen Gruppen herrschten.
Auch der Klassenzusammenhalt war schnell gefunden und die Schulaufgaben waren bei weitem nicht so schlimm wie befürchtet (gut, in diesem Punkt wird jeder eine eigene Meinung haben. Aber ich denke mir, lernen ist wie Zähneputzen. Jeden Tag zehn Minuten ist besser, als einmal die Woche eine Stunde. Und mit dieser Regelmäßigkeit bin ich ganz gut durchs erste Schuljahr gefahren).
So, warum schreibe ich das alles? Werbung fürs Kolleg? Bekomme ich Geld dafür? Nein, tatsächlich möchte ich nur denjenigen etwas Mut zusprechen, denen es in den ersten Tagen eventuell wie mir vor einem Jahr geht, und die sich noch etwas unsicher (ängstlich?) sind. Natürlich gibt es auch mal am Kolleg Tage, wo man keine Lust hat, einen das Fach XY nervt, oder man irgendeinen Test verhauen hat. Diese negativen Momente werden aber bei weitem von den positiven Aufgewogen. Ich bin richtig froh, dass ich mich letztes Jahr nach dem Verlust meiner Arbeitsstelle nicht nach ökonomischen Gesichtspunkten zu einem Folgeberuf entschieden hatte, sondern auf das Kolleg kam. Dabei war es tatsächlich nur als Übergangslösung geplant, um überhaupt irgendwas zu machen, bis sich etwas ,,besseres´´ findet. Aber diese Überlegung war schon nach zwei Wochen Kollegleben so hinfällig, dass es mir schwerfällt zu glauben, dass ich diese Idee überhaupt einmal gehabt habe. In dem Sinne, willkommen am Kolleg. Genießt die Zeit und ich bin mir sicher, ihr werdet euch ebenso schnell einleben und wohl fühlen, wie es unserer Jahrgang im letzten Jahr getan hat.
*Hortus= eigentlich ,,Garten´´ auf Latein, und meine Bezeichnung für die Grünfläche zwischen den Wohnblöcken und der Schule.
