Es war einmal ein Waschbär am Kolleg – der Einfachheit her, nenne ich ihn Daniel. Am Kolleg sollte Daniel den Wolf kennen lernen. Der Wolf hieß Zimmermann.
Frisch ans Kolleg gekommen, sitzt Daniel, der Waschbär – der in der Q-Phase einen Hang zu Zylinderhüten entwickeln sollte – in einer meiner E-Phasen und wird vom Wolf (mir) gleich in der zweiten Stunde grundlegend verwirrt. Die Aufgabe, die ich Daniel und seinen Mitkollegiaten stellte, laute in etwa so: „Ordnen Sie die an der Tafel stehenden Fakten einem Datum zu und bringen Sie alles in eine Reihenfolge, die am Ende den Lebenslauf Ihrer Lehrkraft (mir) widerspiegelt.“ Doch die Aufgabe war nicht so einfach wie es klang, denn es fanden sich falsche Informationen in dem gegebenen Material, so dass eine Auswahl von den Schülern zu treffen war, die sie ihrem Lehrer zutrauten.
Die Kollegiaten machten sich also emsig an die Arbeit und schneiderten mir Lebensläufe auf den Leib, die mehr oder weniger zutrafen. Aber zum Daniels Leidwesen folgte nie eine genaue Auflösung von mir, welche Version am ehesten meinem tatsächlichen Lebenslauf entsprach.
Die Monate und Jahre gingen ins Land und unser Waschbär wurde nicht müde Fakten zu sammeln und Informationen zusammenzutragen. Immer umnebelter wurde das Bild und schließlich mischten sich Phantasie, Gerüchte und gelegentlich üble Nachrede und machten die Orientierung unmöglich für den wahrheitssuchenden Waschbären etwas wahres über den Wolf zu erfahren. Zu guter letzt fassten er und seine Detektivfreunde sich ein Herz und fragten mich direkt nach der WAHRHEIT.
Ich versprach den Freunden eine Chance am Ende ihrer Kollegzeit, ihr Informationsdefizit stillen zu können. (Zu diesem Zeitpunkt wussten weder die Kollegiaten noch ich, dass ich das Kolleg vor ihnen verlassen sollte, weshalb diese Zeilen auch entstanden, denn ein Versprechen ist ein Versprechen, wusste der Wolf.)
Gerücht 1) Der Wolf ist zwischen 30 und 45 Jahre alt.
Ich bin tatsächlich im letzten Jahr 35 Jahre alt geworden.
Gerücht 2) Der Wolf ist selbst zum Kolleg gegangen.
Nope. Ich habe in Berlin ein mühevolles – aber direktes- Abi abgelegt (3.4) und habe dann in Göttingen studiert.
Gerücht 3) Der Wolf spielt professionell Theater in Braunschweig. Ich sehe ihn öfter mal im Theater.
Das ist teilweise sogar wahr. Ich habe eine zeitlang für einen Dozenten an der TU an Stücken mitgearbeitet und gespielt. In den letzten Jahre habe ich mich aber exklusiv und gerne für Sie, die Kollegiatenschaft, zum Depp gemacht. (Aber positiv ist es zu sehen, dass einige auch freiwillig ins Theater gehen.)
Gerücht 4) Der Wolf ist kein Deutscher, sondern ist aus Amerika eingewandert.
Irgendwo waren mal Holländer in meiner Linie, aber US-Präsident kann ich deswegen noch lange nicht werden. Wahr ist an der Sache nur, dass ich insgesamt während meiner schulischen und akademischen Ausbildung circa eineinhalb Jahre in den USA lebte.
Gerücht 5) Der Wolf lebt noch immer in Berlin oder Hamburg und pendelt.
Für die Arbeit am Kolleg zog ich aus Berlin nach Braunschweig, wo ich noch immer in Fahrraddistanz wohne. Als bin ich nach dem Studium zum Referendariat nach Berlin zurück gezogen.
Gerücht 6) Der Wolf hat nicht Lehramt studiert.
Doch hat er. Er ist examinierter Gymnasiallehrer und weil mir das Studieren (akademisches Arbeiten) gefällt, bin ich zurzeit als Masterstudent wieder eingeschrieben und bin fleißig noch einmal dabei (keine Sorge, nicht an der TU Braunschweig). 🙂
Gerücht 7) Der Wolf ist Geschichtslehrer.
In der Tat darf ich von Amtswegen auch Geschichte unterrichten, obgleich es nicht mein Lieblingsfach ist.
Gerücht 8) Der Wolf weiß, welche Lehrerinnen wo tattoowiert sind, weil er im Prinzip mit allen schon einmal was hatte.
Da ging tatsächlich die Phantasie auf dem Schulhof sehr weit. An dieser Stelle schüttele ich noch immer teils belustigt teils genervt den Kopf und frage mich, ob ich wirklich Erwachsene unterrichte. :-/
Gerücht 9) Der Wolf hat Haustiere.
Ich hatte mal einen Hund im Haushalt, der gehörte allerdings meiner Exfreundin. Der hieß aber tatsächlich Paul-Manfred.
Gerücht 10) Der Wolf ist beim Bund so geworden wie der Wolf jetzt ist.
Als die Entscheidung Bund oder Zivi anstand, habe ich mich für den Zividienst entschieden, da ich nicht aus Berlin heraus wollte, was garantiert beim Bund passiert wäre. Ich bin im Job wie ich bin, weil ich es als effektiv empfinde, was nicht bedeutet, dass ich privat auch so wäre.
Gerücht 11) Der Wolf wohnt im Kolleg (bei einer Kollegiatin). Ich hab ihn am selben Tag in zwei verschiedenen Klamotten gesehen.
Ja, das ist richtig. Natürlich nur der Teil mit den Klamotten. Da ich Ihnen kein knittriges Oberhelm zumuten will, ziehe ich mich vor und nach dem Unterricht um.
Viel zu viel Aufmerksamkeit kam dem Beziehungsstand und Liebesleben des Wolfes zu, was dem Wolf unangenehm war, denn er war hauptsächlich am Kolleg, um zu arbeiten. Hier dennoch ein paar „Details“:
Ich bin nicht homosexuell. Ich bin nicht Vater von mehreren Kindern, obgleich ich sehr stolzer Patenonkel von zwei tollen Kindern bin. Ich wurde nicht geschieden (auch nicht von einer Ex-Kollegiatin), denn ich war nie verheiratet und zudem bin ich ungebunden. Das muss Ihnen als Info ausreichen.
Ein Anliegen hätte ich noch:
Ich freue mich sehr darüber, wenn Sie mir etwas mitteilen möchten. Benutzen Sie doch aber bitte übliche Kanäle (ich empfehle eine E-Mail oder das direkte Gespräch), mich jedoch um drei Uhr Morgens zu Hause aufzusuchen, um einen Klingelstreich zu machen, ist nicht mehr niedlich, sondern Ihnen unwürdig. Speziell als ich des Öfteren Ihnen sogar die Tür öffnete , um Sie herein zu bitten.
Jetzt kennen der Waschbär und seine Freunde die Wahrheit.
Wait…there is one more thing:
Ich werde das Kolleg wohl vor den meisten von Ihnen verlassen, was mich sehr traurig stimmt.
Auch wenn es mir wahrscheinlich nur wenige von Ihnen zutrauen oder glauben werden, bin ich Ihnen und Ihrer Entwicklung stets zugetan. Das Kolleg ist mehr als nur ein Arbeitsplatz für mich. Wenn von Lehrkräften und Kollegiaten/Kollegiatinnen richtig verstanden, ist es eine Idee von Perspektiven und Entwicklungen. Ich habe den Lehrberuf am Kolleg immer als etwas gesehen, wofür man brennen und worauf man sich ganz einlassen muss, um etwas zu erreichen. Ähnliches trifft im Übrigen auch auf Ihr Lernen zu.
Mit einem weinenden und einem lachenden Auge werde ich zum 01.02.2018 eine Stelle in der Landesschulbehörde antreten. Der Termin ist unpassend und recht kurzfristig von der Behörde angesetzt worden, ohne dass die Schulleitung oder ich größere Einspruchsmöglichkeiten gehabt hätten. Ab Anfang Februar werde ich daher (so die aktuelle Planung) nur noch meinen Grundkurs zum Abitur führen. So mischt sich Wehmut mit schlechtem Gewissen, meine Klassen und Kurse im Stich zu lassen. Dies trifft für den tollen Leistungskurs im Jahrgang 77 zu. Auch mit den E-Phasen hatte ich mich gerade eingegroovt. Dennoch bin ich mit sehr sicher, dass Sie gut für kommende schulische Herausforderungen vorbereitet sind.
Ich bin Ihnen allen sehr dankbar für die lehrreiche Zeit mit Ihnen, denn auch ich habe viel über mich mit und von Ihnen gelernt. (An dieser Stelle könnte ich viel von einigen Kollegiatinnen und Kollegiaten erzählen, mit denen ich besonders intensive/anstrengende oder auch nur lustige Zeiten während und/oder außerhalb des Unterrichts am Kolleg verbracht habe, aber ich denke, dass sich diejenigen von Ihnen schon angesprochen fühlen.) Auch bin ich froh darüber, dass ich Sie bei der Weihnachtsfeier noch einmal von Ihrer besten Seite erleben durfte. (Auch wenn keiner den Mistelzweig sah.) 😉
Lassen Sie mich nun enden wie ich jeden Kurs verabschiede, den ich bisher zum Abitur geführt habe, mit besten Wünschen für Ihre private wie akademische Zukunft und mit einem Zitat frei nach Thomas Edison:
“If you did all the things you are capable of, you would literally astound yourselves.”
Herzlichst Ihr
Jan Zimmermann
(Sollten Sie noch Anliegen an mich haben, kontaktieren Sie mich gerne)

Sehr geehrter Herr Zimmermann,
Über Freunde am Kolleg musste ich nun erfahren, dass Sie einen weiteren Abschnitt in ihrem Leben beschreiten werden und das Kolleg verlassen.
Ich bin Ihnen unglaublich dankbar für Ihre Unterstützung in meiner Schulzeit von 2013-2016. Sie sind mit einer der vielen Gründe gewesen warum ich mich für ein Lehramtsstudium entschieden habe, welches ich bis nun (und hoffentlich weiterhin) erfolgreich beschreite. Durch Sie habe ich das erste Mal gemerkt, dass Englisch Unterricht auch Spaß machen kann und ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass Sie für mich ein Vorbild für meine spätere Laufbahn sind. Ich wünsche Ihnen viel Spaß in Ihrem neuen Beruf und alles gute für Ihren Weg.
Lieber Herr Zimmermann,
ich würde mich Marvin anschließen wollen –
auch wenn es gefühlt mehr als eine Situation gab, in der wir kurz davor waren aneinander zu geraten – unfair waren Sie trotzdem nie 🙂 Definitiv werden Sie und Ihr Engagement für das Kolleg fehlen. Andererseits wird etwas Kompetenz in der LSB nicht schaden. Insofern wünsche ich Ihnen aufrichtig alles Gute und viel Spaß in dem neuen Job.
Herr Zimmermann,
Ich bedaure das sie das Kolleg verlassen.
Ich hatte sie zwar nie im Unterricht aber immerhin als Coach.
Und als jenen werde ich sie vermissen.
Ihr Abschieds-Brief ist schön. Besonders der persönliche einblick in ihre Sichtweise ist spannend zu lesen.
Auch ich habe den typischen Klatsch und Tratsch mitbekommen und bin überrascht das auch jener Tratsch zu ihnen durch gedrungen ist. Ihr Einblick zeigt: Lehrer sind auch nur Menschen und haben ein ganz normales Privat Leben und müssen viel Unsinn ertragen. Ich bin dankbar für ihren Einblick und wünsche ihnen ein guten Start in ihrem neuen Job an der Landesschulbehörde.