Ein Kommentar zum nachdenken und handeln von Henrike Heise
Ich bin weiß. Ich bin priviligiert. Ein Zugeständnis, welches viele Menschen nicht fähig sind sich zu machen. Ich gehöre zu der Gruppe von Menschen, die nicht unter Diskriminierung und Vorurteilen aufwächst, die nicht darum kämpfen muss anerkannt zu werden. Und das alles wegen meiner Hautfarbe. Eine Wahrheit, die viele von uns nicht anerkennen wollen. Schwarze Menschen werden benachteiligt. Menschen anderer Herkunft werden benachteiligt. Aber was sagt unsere Hautfarbe über uns aus? In meinen Augen nichts. In meinen Augen sind alle Menschen gleich – doch genau dort beginnt das Problem, denn wer beginnt alles gleich zu sehen, kann die Unterschiede, welche andere Menschen beurteilen, nicht mehr nachvollziehen. Statt alles gleich zu sehen, sollte man beginnen, die Unterschiede anzuerkennen. Ich sehe, dass Menschen anderer Hautfarbe anders behandelt werden und finde das falsch. Dieses Statement ist viel stärker, als ein bloßes “für mich sind alle gleich”, denn das spiegelt die Realität nicht wieder. Wir werden nicht alle gleich behandelt. Eine Ungerechtigkeit einzugestehen, statt diese Situation nur auf die eigenen Ansichten zu beziehen, das ist der Beginn davon, die Augen zu öffnen. Und oft ist diese Ansicht von “Ich sehe alle gleich.” sowieso ein Wunschdenken, statt Realität. Wir Menschen haben alle ein Problem damit “anders sein” anzuerkennen. Dafür haben wir alle andere Beispiele in unserem Leben, die wir bewusst wahrnehmen, wie zum Beispiel, dass wir über Menschen aufgrund ihres Äußeren urteilen, ohne diese zu kennen. Darüber sind wir uns bewusst, aber genauso gibt es diese Diskriminierung in Bereichen, über welche wir uns nicht bewusst sind. Das Problem, dass viele “anders sein” nicht so wahrnehmen, und anerkennen, dass Personen, die vom weißen Normsystem abweichen, diskriminiert werden, ist der härtere Teil von der Wahrheit, dass Menschen mit “anders sein” nicht umgehen können. Dieses Problem vom sogenannten unbewussten Rassismus, wird oft vernachlässigt, dabei ist dieser ebenso diskiminierend wie bewusster Rassismus.
Vielleicht ist es euch auch schon passiert? Die klassische Frage “Wo kommst du her?”. Wenn mir jemand diese Frage stellt, ist es sehr einfach eine Antwort zu finden: Geboren bin ich in Köln, dort bin ich aufgewachsen. Wie schon gesag: Ich bin weiß, deshalb endet die Frage für mich genau an dieser Stelle. Aber jeder Mensch mit einer anderen Hautfarbe wird mit dieser Antwort den Fragenden zu einer neuen Frage reizen: “Ja klar, aber woher wirklich?” oder “Und deine Großeltern?”. Ich habe viele Texte zu dem Thema gelesen, da ich diese Frage ganz am Anfang meiner Recherchen als einen sehr kleinen Aufhänger empfand. Wieso regt man sich denn darüber auf, wenn jemand wissen will, woher man kommt? Aber umso mehr ich las, desto mehr wurde mir klar, welche Stufe von Unterscheidung genau diese Frage repräsentiert. Man wird als Mensch mit anderer Hautfarbe, als nur das wahrgenommen: “Andere Hautfarbe!”. Da muss der Gegenüber immer wissen: Wieso ist denn das so? Anstatt den Menschen vor sich zu sehen. Ich habe diese Frage seither Menschen, egal welcher Hautfarbe, nicht mehr beim ersten Kennenlernen gestellt. Wenn man sich irgendwann auf einem freundschaftlichen Level befindet, dann tauscht man sich über die Kultur aus – sollte diese anders sein, denn auch hier muss man anmerken: Nicht jeder Mensch anderer Hautfarbe hat auch eine andere Kultur! Wenn man aber unterschiedliche Kulturen teilt, dann ist das Kennenlernen dieser ein intensiver Prozess, wo man vielleicht die Familie trifft oder neue Gebräuche kennenlernt. Man gewinnt Einlicke in das eigentliche Menschsein der anderen Person, anders als das bohrende Nachfragen zu Beginn eines Kennenlernens, nur um die Hautfarbe zu ergründen. Und oft kommt diese Frage auch mit dem oben angeschnitten Vorurteil einher: Du siehst anders aus, deshalb hast du eine andere Kultur. Aber auch ich muss sagen: Nur weil meine Uroma aus Bayern kommt, habe ich nicht direkt ein Dirndl. Und nur weil meine andere Uroma aus Russland kommt, ist Vodka auch nicht meine Leibspeise.
Ich versuche das so zu sehen: Wieso ein Mensch so ist wie er ist, mit seinem Charakter, seinen Fehlern und seinen Stärken, das würde ich nie beim ersten Gespräch erkennen. Genauso ist es seine Kultur, seine Herkunft und seine Motive, die ich erst kennenlernen werde, wenn wir uns näher sind. Ich versuche zuerst den Menschen zu sehen und Fragen zu stellen, die mir helfen die Person selbst kennenzulernen und nicht deren Hautfarbe. Schließlich ändert es wenig an dem Charakter der Person ob sie aus Berlin, Paris oder Marokko kommt.
Aber wie kann man sich diesem Thema nähern? Wie kann man das Problem angehen, dass wir “anders sein” nicht gut verkraften? Auch unbewusster Rassismus ist Rassismus – und den möchte ich ebenso gerne bekämpfen wie offen ausgelebten Rassismus. Denn nur zu sagen: Für mich sind alle Menschen gleich! Macht einen nicht zu einem Menschen der alle gleichermaßen akzeptiert und respektiert, denn darum geht es, wenn man kein Rassist sein will: Respekt und Akzeptanz statt Toleranz. Toleranz bedeutet am Ende so etwas wie “dulden”, hingegen zur Akzeptanz, was bedeutet “freiwilliges anerkennen”. Was wäre euch lieber? Geduldet (was auch gezwungen klingt) oder freiwillig anerkannt zu werden?
Nun aber nach langem Vorgerede meine Empfehlungen für alle, die finden, Rassismus habe keinen Platz in unserer Gesellschaft: Zum Thema Black History Month habe ich eine kurze Liste an Dingen erstellt, die ihr machen könnt um Solidarität zu zeigen. Ihr müsst nicht alles auf einmal machen, aber sucht euch ein oder zwei Sachen raus, die ihr diesen Monat noch startet um zu zeigen, dass ihr bei dieser Revolution auf der richtigen Seite steht!
- Nehmt die Dinge selbst in die Hand! Egal ob ihr für Organisationen wie Black Lifes Matter spendet, Petitionen unterschreibt oder einfach Online Beiträge teilt, erhebt eure Stimmen für die Gleichberechtigung der Schwarzen Community!
- Mehr lesen! Es gibt viele Bücher von talentierten Schwarzen Autoren – schnappt euch eins und zeigt ihnen die Anerkennung die sie verdienen. (Empfehlung: Ibram X. Kendi – How to be an Antiracist)
- Filmabend! Lesen ist nicht euer Ding, zum Glück gibt es ja auch Filme. (Empfehlung Moonlight / Black-ish / Dear white People / 12 years a slave / When they see us)
- Quizzabend! Kein Bock auf Film oder Buch? Gestaltet euch ein cooles Quizz mit Themen zu Schwarzen Autoren / Schauspielern / wichtigen Geschichtspersonen – à la Trivial Pursuit.
- Dokumentationen! Klingt im ersten Moment vielleicht etwas lahm, aber es ist sehr interessant, Schwarzen Menschen zuzuhören wenn sie über ihre Erlebnisse mit Rassismus berichten. Vielleicht habt ihr auch Freunde die sich mit euch austauschen?
- Kochen! Probiert mal etwas neues in der Küche. Ich kann eine marrokanische Tajin nur empfehlen, Rezepte gibt es zu Hauf online und es ist wirklich mal was ganz besonderes für die deutschen Kartoffel Geschmacksknospen!
- Reflektion! Wie kannst du dich besser für die Rechte von Schwarzen Menschen einsetzen? Auch mal langfristig Gewohnheiten ändern und neues entdecken.
Zum Abschluss sei gesagt, dass es nicht einfach ist, Dinge zu verändern. Aber wenn wir alle gemeinsam beginnen das Thema zu verstehen, dann können wir vieles bewegen. Und wenn dieser Artikel auch nur einen Leser dazu gebracht hat, mal etwas “Black-Made” zu probieren, dann hat er seinen Zweck erfüllt. Es ist bei weitem kein einfaches Thema, aber es ist wichtig, dass alle Menschen sich damit auseinander setzen und Flagge zeigen. Viel Spaß beim ausprobieren! Ein kleiner Hinweis noch am Rande: Ich habe das Wort “Schwarz” im gesamten Text Großgeschrieben, weil er eine gesellschaftliche Identität darstellt und nicht als beschreibend zu verstehen ist. Interessant dazu ist auch das Buch von Alice Hasters “Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören aber wissen sollten”. Ebenso solltet ihr bitte darauf achten, dass ich mit “anders sein” eben Menschen meine, die der weißen Norm nicht entsprechen und dies nicht meine persönliche Meinung widerspiegelt.

Jahrgang 80, schreibe gerne 😉