Ein kritischer Essay über die moderne Zeit von Karoline Wippert
Die Zeit der Aufklärung war ein Schritt des Wandels, in dem zum Beispiel Schriften von Lessing oder Kant vom „selbständigen denken“, „hinterfragen“ und „beweisen“ predigten. Der Alltag und das eigene Schicksal sollte nicht mehr einfach hingenommen werden, sondern aktiv bestimmt und zum eigenen Glück verbessert werden.
Doch was hat uns dies heute gebracht; Sind wir nun von der einen Knechtschaft befreit, freiwillig in eine neue geraten?! Wir schreiben das Jahr 2021 und somit liegen einem alle Wege offen und die Freiheit, die sich die Menschen im 1700 Jahrhundert ersehnten und erkämpft haben, sind nun doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass wir in „aufgeklärten Zeiten“ leben könnten, es jedoch nicht tun.
So haben wir heute definitiv eine Freiheit der Entscheidung unseres Lebensstils. Nicht wie damals, als die Bürger von den Geboten und Gesetzen der Kirche gebunden wurden und jedes Wiedersetzen gegen diese mit einer drohenden „ewigen Verdammnis in der Hölle“ oder einer kompletten „Verbannung aus der Kirche“ bestraft wurde. Letzteres führte meist zum frühzeitigen Ableben des „Verbrechers“, oftmals mit Fremdeinwirkung. Jedoch sehe ich diese ehemaligen Zwänge, im Zwang des heute fanatischen Auslebens des Individualismus.
So ersetzt heute den kirchlichen Sonntagsgang, das Posten vom perfektem Brunch im geschmackvollen Ikea-Bett mit zu vielen Kissen und Decken. Auch was früher beten für Ablass war, ist heute das freundliche Kommentieren jedes Freundes-posts und liken von hundert weiteren Fremden. Die neue Religion wird mit „hashtag“ als Messias über die Sozialmedia-Dienste gehuldigt und verbreitet. Damit alle „Follower“ erfahren wie „gewissenhaft“ seine/ihre Selbstoptimierung, Selbstliebe und Zufriedenheit des eigenem Lebens vorangeht. Auch spricht die Abschaffung von Adel und Kastensystemen in unserem Leben für ein aufgeklärtes Zeitalter. Jedoch wird dies durch Verhalten in Sozial-Media immer noch Abschnitte zwischen Menschen erzeugt.
Alles was es dazu braucht ist ein Post und den unreflektierten Wunsch anderer, zu folgen. Damit wird wie damals Druck ausgeübt, seinem Stand, der „heutigen Möglichkeiten“, zu folgen und dessen Bestimmung zu erfüllen.
Somit gehört es zum Erkennungsbild der kultivierten „Influencer“ wegzuziehen und ein halbes Jahr in Australien zu verbringen. Dann natürlich mit Akzent und dem teilweisen Verlust der deutschen Muttersprache wiederzukehren, um der Weiterentwicklung und dem Status „quo“ zu entsprechen. Somit werden Status und Stellung zum negativen Vorbild ausgelebt. Da diese anderen als Selbst gezeigt wird, was allerdings nicht dem „Wahrem-Selbst“ entspricht und somit allgemeinen Druck auf das Individuum und dessen Umfeld auswirkt. Denn egal wie schön der Post war, in gefühlten 2 Minuten gibt es einen schöneren und selbstgesetzte Ziele der Selbstdarstellung werden somit unerreichbar und niemals vollends gestillt.
Das geschaffene Umfeld der sozialen und digitalen Welt fragt somit nur Post, um Post, nicht ob du hinter deinem perfekt ausgeleuchteten Lächeln auch wirklich glücklich bist. Das trägt die Gefahr sich einsam und imperfekt zu fühlen. Auch kämpfte die Zeit der Aufklärung für eine Wahrheit, die nicht nur mit Worten des Vertrauens, sondern mit Fakten belegt werden konnte und somit die Transparenz der Bildung vorantrieb. Heute ist dies mit dem Internet klar gegeben. Jeder kann sich über das informieren was ihn/ sie interessiert. Jedoch kann man auch stecken bleiben und sich durch versehentlich falsche rechts-klicke leicht verirren.
Eine faktenbasierte Wahrheit ist dann vielleicht nicht mehr so leicht von einer schöner klingenden, gefühlten Wahrheit zuerkennen. Immerhin blieb eins gleich, so wird damals wie heute die „Hurerei“ eines Mannes geduldet und die einer Frau verurteilt. Doch Leute, dass „Schlüssel-Schloss“ Prinzip ist so alt wie meine Kartoffeln im Kühlschrank, die schon keimen. Somit bestätigt sich meine These, dass wir eigentlich die Chance auf ein aufgeklärtes Zeitalter besitzen. Jedoch an der Umsetzung arbeiten sollten. Doch wenn Themen wie „Zwischen-Menschliche-Probleme“, „psychische Erkrankungen“, „Überforderung mit Individualismus“, in den Vordergrund dringen und somit Angst vor Verurteilung mindern, wäre es sehr hilfreich. Es würde uns dann vielleicht wirklich aufklären und Mut zur Imperfektion geben, da das ehrliche „Ich“ am schönsten zu uns passt und glücklicher macht als alle „Insta-Filter“ zusammen.
