Das Dorf der Stille

Stille liegt über dem kleinen Dorf, das erst jüngst von einigen Männern unter der Leitung des Pfarrer Helarian errichtet wurde.

Irgendwo, weit entfernt von Städten, hatte er dieses Fleckchen Erde als einen neuen Ort der Zuflucht auserkoren, weg von der Hast, die die Städtler bewegt.

In ihm erblühte die Vorstellung einer reichen Gemeinschaft, die Jahrhunderte überdauerte und er hatte den ersten Stein gelegt, er hatte sich dafür entschieden allem den Rücken zu kehren und mit einigen Männern und Frauen hier herzukommen. Er hatte den Männern gesagt, wo sie die Hütten errichten sollen und wo ihr Gotteshaus stehen solle. Er hatte alles akribisch geplant und nach einigen Monaten stand er zum ersten Mal vor den Anfängen seiner Zukunft und die der folgenden Generationen. Genauso wollte er es.

Er wollte soviel und am Ende hatte er nichts. Ein bettelarmer Mann mit nichts, als den Kleidern an seinem Körper, der als Landstreicher von Stadt zu Stadt zog und seine Hände bittend öffnete.

Der für den Tag lebte und am Tag überlebte.

Alles nur, weil er nicht wahrhaben wollte, dass einige Flecken dieser Erde nicht bewohnt werden sollten.

Es ist eine kühle Nacht, als Pfarrer Helarian über den kleinen Platz schlendert. Stille liegt über dem kleinen Dorf, das erst jüngst von einigen Männern unter seiner Leitung errichtet wurde.

Fröstelnd reibt er sich über die Arme, während er zu dem dunkelblauen Nachthimmel empor blickt und den Vollmond betrachtet.

Eine helle Scheibe, die ihr Licht gen Boden schickt und so eine friedliche Atmosphäre erzeugt.

Er ist alleine, noch als einziger auf den Beinen. Die anderen Bewohner haben sich bereits zur Ruh gelegt. Zu anstrengend die letzte Zeit, zu aufreibend. Helarian schiebt die Beobachtungen der Bewohner auf die kräftezehrende Arbeit. Er selbst hat noch nichts von dem gesehen, was ihm berichtet wurde. Glaubt an solche Hirngespenster nicht. Immerhin ist er ein Mann Gottes und auch wenn ihm bewusst ist, dass es böse Mächte in dieser Welt gibt, so weiß er auch, dass diese sich nicht in derartigen Erscheinungen zeigen.

Es ist die Einsamkeit, das Ungewohnte und die Stille, diese unnatürliche Stille.

Nicht eine Brise weht in der Nacht und auch der Wald scheint erstarrt, kein Rascheln, kein Knacken.

Es hat seitdem sie hier sind noch nie geregnet oder gestürmt. Das Wetter ist immer gleich. Am Tage scheint die Sonne vom hellblauen Himmel herab und in der Nacht spendet ihnen der Mond sein Licht. Auch hat er noch nie eine Wolke am Himmel gesehen, genauso wenig wie Sterne in der Nacht. Das fällt ihm schon auf, doch das ist für ihn weder ein Beweis noch ein Indiz dafür, das dieses Fleckchen Erde sich nicht als Heim eignet.

Magdalena, die Frau des Tischlers, sah das anders und so sagte ihm, dass sie hier nicht willkommen seien, sie seien ungefragt hier her gekommen, das bliebe nicht ohne Folgen. Sie sah ihn dabei derartig ernst an, das er ganz kurz den Hauch einer Gänsehaut verspürte. Allerdings nur kurz, dann besann er sich wieder und wischte ihre Worte einfach fort.

Helarian dreht sich einmal um die eigene Achse und betrachtet Magdalenas Hütte, deren Fenster dunkel dar liegen.

Wenn er nicht wüsste, dass sie mit ihrem Mann dort im Schlafgemach liegt und selig schläft, könnte er auch denken, dass das Leben diese Hütte bereits verlassen hat.

Er schüttelt den Kopf, wendet sich ab und läuft auf seine eigene Hütte zu. Im Gegensatz zu den anderen, empfängt diese ihn bereits aus der Ferne mit einem warmen Licht, das durch die quadratischen Fenster scheint, als wolle es ihn begrüßen.

Plötzlich hält er mitten im Gang inne, den Kopf gesenkt, konzentriert er sich auf seinen rechten Augenwinkel.

„Was ist das?“, fragt er sich, während er das Undefinierbare betrachtet. Er könnte nicht mal sagen, ob es ein Ding oder ein Etwas ist. Er kann nicht sagen, ob es dünn oder dick ist, klein oder groß, belebt oder unbelebt ist. Es könnte alles sein.

Er könnte den Kopf heben und es sich ansehen, doch ein Gefühl hindert ihn. Ist es Angst oder Unglaube, Trotz oder Unwillen?

Den Kopf weiter gesenkt haltend, geht er erst mit unsicheren und dann immer festeren Schritten weiter. Den Weg entlang, auf seine Hütte zu, die Tür öffnend, bleibt er im Rahmen stehen. Er atmet schwer, während er das Gefühl versucht zu ignorieren, das ihn bis zu seiner Hüttentür verfolgt hat.

Er schüttelt den Kopf und geht ins Innere, die Tür schließt er hinter sich ohne über die Schulter zu blicken.

Alleine steht er in seiner Hütte, die als Einzige in der Dunkelheit Licht spendet. In die Anderen ist die Stille eingezogen, als das Leben auszog.

Nur Pfarrer Helarian hält an dem fest, was er wollte.

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